Musik ist sein Leben. Wer ihn spielen hört, zweifelt keine Sekunde daran. Johannes Friedemann ist Pianist und Preisträger verschiedener internationaler Klavierwettbewerbe. Der Absolvent des Gymnasium Arnoldinum lebt in Zürich/Schweiz. Vor wenigen Tagen war er wieder einmal in seiner Heimat zu Gast und gab ein Konzert im Alten Speicher Laer. Eltern und Geschwister leben in Burgsteinfurt. Sie freuen sich, wenn der gefragte Solist zwischen seinen Verpflichtungen die Zeit findet, nach Hause zu kommen. Kritiker schätzen die außerordentlich hohe Perfektion, aber auch das ungewöhnliche Einfühlungsvermögen in die Kompositionen des Barock bis hin zu Werken des 21. Jahrhunderts. Sein Lieblingskomponist ist Ludwig van Beethoven. „Ich habe das ständige Bedürfnis, mich intensiv mit Musik zu beschäftigen. Aus diesem Grund bin ich Pianist geworden“, charakterisiert der Virtuose sich selbst. Er hat bereits ganz Große des Musikgeschäftes kennengelernt. So zum Beispiel den russischen Pianisten und Dirigenten Wladimir Ashkenazy. „Ich lernte ihn in Lugano kennen“, so Friedemann, „und arbeitete mit ihm an Werken von Frederic Chopin und Franz Liszt“. Im Tessin wohnen viele interessante Künstler. „Die Begegnung mit ihnen“, hebt der junge Pianist hervor, ist nach dem Studium sehr hilfreich“. Es sei gut, vor Konzerten einen „Trainer“ zu haben.
„Die Musik entdeckte ich schon im Kleinkindalter“, erinnert Friedemann. Da seine Eltern täglich musizierten, entwickelte er schnell das Bedürfnis, sich intensiv mit dem Klavierspiel zu beschäftigen. Vater spielte Piano, Mutter Geige, die beiden Schwestern Flöte und Gitarre. Mit vier Jahren wollte der Junge Geige spielen und bekam ein eigenes Instrument. Mit sechs Jahren begann er, das Klavierspiel zu erlernen. Vater Meinhard lehrte ihn die Grundlagen. „Musiziert habe ich immer aus eigener Motivation heraus“, betont Johannes Friedemann. „Meine Eltern haben mich nie gezwungen, aber nach Kräften unterstützt.“ Die Musikausbildung begann weit vor der regulären Studienzeit.
„Mit zehn Jahren wusste ich, dass ich Musiker werden wollte“, so der ehemalige Arnoldiner. Zu dieser Zeit faszinierte ihn besonders das Orgelspiel. „Mit elf Jahren fand ich es toll, die Orgel einfach mal auf ‚tutti’ zu stellen und die große Evangelische Kirche von der Musik Johann Sebastian Bachs erbeben zu lassen“, sagt Friedemann schmunzelnd.
Nach dem Abitur überlegte er zunächst, beruflich in Richtung „Musikwirtschaft“ zu gehen. Er bekam eine Praktikumsstelle in der Marketingabteilung der „Mailänder Scala“. Ein paar Wochen blieb Zeit, die Italienischkenntnisse zu vertiefen. „Währenddessen wurde mir jedoch klar, dass ich am Liebsten selbst musiziere“, so der Pianist.
Die emotionale Einfühlung in die Musik ist ihm das Wichtigste. Allerdings, sagt er, könne man diese nicht gegen technische Perfektion ausspielen. „Technische Perfektion ist für mich Mittel, ein künstlerisches Ziel zu erreichen“, erläutert Friedemann und er meint weiter: „Die emotionale Einfühlung und die technische Perfektion zusammen reichen nicht aus. Man sollte sich auch intellektuell mit der Musik auseinandersetzen. Diese Dinge müssen bei der Arbeit Hand in Hand gehen.“ Musik ist für ihn die Reflektion seines Lebens. „Die Persönlichkeit eines Musikers ereignet sich gewissermaßen beim Musizieren“, erklärt Friedemann das Phänomen.
Die gefühlsmäßige Wirkung des Klavierspiels stammt nicht von ungefähr. „Die emotionale Kraft schöpferischer Vorgänge muss aus dem Leben kommen“, sagt der Virtuose. So brauche man einen Ausgleich zur Arbeit und genügend Entspannung. Der tägliche Spaziergang ist ihm wichtig. Außerdem besucht er gern Museen und Konzerte. Für die angemessene Interpretation der Werke muss man sich auch mit der Person des Komponisten beschäftigen. „Das half mir vor allem bei Ludwig van Beethoven“, so der Pianist.
Ein Konzert als Interpret zu bestreiten geht nicht routinemäßig von der Hand. „Das besondere dabei ist, dass diese Leistung in Echtzeit abläuft“, sagt der Musiker. „Man muss mental sowie körperlich fit sein und täglich etwas dafür tun“. Konzentration ist enorm wichtig. Meditation, verschiedene mentale Techniken und ein leichter sportlicher Ausgleich spielen eine wichtige Rolle.
Besondere Bedeutung hat für Johannes Friedemann Friedemann der Dialog mit dem Publikum. „Ein Konzert ist für mich wie ein Zwiegespräch mit dem Zuhörer“, sagt er. „Ich fühle genau, ob das Publikum aufmerksam ist. Die Spannung im Raum und die Erwartungshaltung helfen mir beim Spiel“. Vor allem möchte er ein junges Publikum ansprechen. Bei seinem letzten Konzert gab er vor Beginn eine Einführung. „Die Leute schwingen bei einem anspruchsvollen Programm besser mit, wenn man vorher etwas dazu erklärt“, sagt der Pianist. „Ich habe mich sehr gefreut, auch Jugendliche unter den Zuhörern zu sehen“. Um junge Menschen für die klassische Musik zu begeistern sei die Musikvermittlung sehr wichtig, meint der Virtuose. „Ich denke, die Zeiten sind vorbei, in denen der Pianist als unnahbares Wesen auf der Bühne erscheint und nach dem Auftritt einfach wieder verschwindet. Die Zuhörer sollen auch etwas über die Arbeit am Werk und über den Beruf des Musikers erfahren“. Ein großes Vorbild ist Herbert von Karajan, weil er die klassische Musik so vielen Menschen zugänglich machte.
Mit dem derzeitigen Stand seiner Pianisten-Karriere ist Friedemann sehr zufrieden. Die Zahl seiner Auftritte steigt kontinuierlich. Allein im Juni spielt er in vier Ländern und fliegt auch in die USA. Besondere Freude macht die Arbeit für die Konzertreihe „Weltklassik am Klavier“, die in ganz Deutschland gastiert. Eines ist für den Pianisten aus Leidenschaft völlig sicher: „Ich werde weiterhin als Solist arbeiten“.
Rainer Nix, Münstersche Zeitung
Foto: Oliver Look